Sam Vincent Schweiger ist ein „anders normaler“ Mann.
Am 13.2.1975 ist er mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt gekommen. Trotzdem ist er psychisch schon immer ein Mann gewesen. Er ist transident. Seine geschlechts-angleichende Operation hat er bereits hinter sich. Heute lebt er mit seiner Freundin und deren Tochter in Wien.
„Wir wollen, dass die Leute einfach wissen: Hallo, wir sind ganz was Tolles, Besonderes, Normales“, sagt Sam Vincent auf seinem Youtube-Kanal Schweig.SAM.er. Dort und auf seiner Internetseite „schweigsamer.at“ kann man auch seinen Weg durch die geschlechtsangleichenden Veränderungen verfolgen – sein Weg von einer biologischen Frau zu dem Mann, der er psychisch schon immer gewesen ist: Von der Namensänderung über das psychiatrische Gutachten, das ihm die medizinische Richtigkeit einer Geschlechtsangleichen bescheinigte, bis heute, wo er schon ganz in seinem Leben als Mann angekommen ist. k50, das Schülermagazin aus Köln, hat ihn zu seinem Weg befragt, um zu zeigen, dass „anders normal“ nicht krank oder unnatürlich ist. Und um anderen Betroffenen zu zeigen: Du bist nicht allein. Wusste Ihre Frau von Anfang an, dass Sie auch mal eine waren? Ich bin nicht verheiratet, lebe aber seit knapp drei Jahren mit meiner derzeitigen Freundin und ihrer Tochter zusammen. Sie hat mich über Facebook kennengelernt. Dass ich ein Transmann bin, hat sie erst gewusst, als sie meinen Blog gelesen hat. Es ist für sie egal, weil sie mich von Anfang an männlich erlebt und wahrgenommen hat. Sie liebt den Menschen und macht das nicht vom Geschlecht abhängig. Wir leben eine Mann-Frau- Beziehung, wie viele Menschen auch und es gibt keinen Unterschied im Zusammenleben. Auch meine Stieftochter mit ihren elf Jahren sieht das als natürlich an.
k50 // Gab es ein ausschlaggebendes Ereignis, ab dem Sie wussten, dass Sie im falschen Körper stecken?
Nein. Ich habe es schon sehr früh gespürt, aber im Kindergarten noch nicht einordnen können. Man wird nicht zum Mann, sondern ist es seelisch und geistig schon immer, auch wenn die äußeren weiblichen Geschlechtsmerkmale der Umwelt etwas anderes zeigen.
k50 // Wie hat sich, nachdem Sie sich für eine Geschlechtsangleichung entschieden haben, alles entwickelt?
Für mich hat sich alles sehr positiv entwickelt. Ich habe 2010 mit der Therapie begonnen, konnte bald meine Namensänderung machen und habe dann meine Hormone bewilligt bekommen (Testosteron). Nach einem Jahr Therapie habe ich endlich meine erste Spritze mit den männlichen Hormonen erhalten. Dann folgte die Personenstandsänderung von Frau zu Mann, neue Dokumente und Ausweise und zum Schluss die GaOP (geschlechtsangleichende Operation) sechs Monate nach der ersten Hormongabe. Es dauert einige Jahre, bis man als der Mensch leben kann, der man in Wahrheit ist.
k50 // War es schwer, Genehmigungen zu bekommen und das ganze Vorhaben finanziell umzusetzen?
Es gibt einige bürokratische und rechtliche Hürden, wie die medizinischen Gutachten. Erst, wenn man das alles hat, können die Krankenkassen die OPs und die Hormongabe bewilligen. Ich hatte keine Probleme, Gutachten zu bekommen und auch die Kostenübernahme der Krankenkassen verlief problemlos. Die Operationen kosten nach einer positiven Bewilligung für uns Betroffene nichts. Nur die Gutachten und Namens- und Personenstandsänderungen sind selber zu bezahlen sowie die gesamte Therapie. Das sind auf längere Zeit gesehen doch einige tausend Euro. Aber jetzt lebe ich rechtlich offiziell als der Mann, der ich schon immer war.
k50 // Wie haben Ihre Familie und Ihre Freunde reagiert, als Sie Ihnen Ihre Entscheidung mitgeteilt haben?
Alle positiv! Sie haben es ja schon immer mitbekommen, dass da was „anders“ ist und waren erleichtert, als ich endlich was gesagt habe. Wirklich alle haben anerkennend und super reagiert. Meine Mutter hat ein wenig gebraucht, sich umzugewöhnen, aber sie stand immer hinter mir. Meine Freundin respektiert und akzeptiert jeden Schritt und steht mir bei. Auch beruflich gab es keine Probleme. Wenn Menschen es nicht akzeptieren oder zumindest tolerieren, ist das egoistisch, weil es mein Leben ist und nicht ihres!
k50 // War das Ergebnis nachher so, wie Sie es sich vorgestellt hatten?
Ich hatte bis jetzt nur die GaOP, das heißt eine Mastektomie (Brustentfernung) und eine Hysterektomie (Entfernung der inneren Geschlechtsorgane). Die finale Penoidaufbau- OP fehlt mir noch, ist aber momentan für mich nicht zwingend notwendig. Ich lebe glücklich als Mann, mit tiefer Stimme, Bartwuchs und körperlichen Veränderungen. Ein Penis macht mich nicht mehr oder weniger zum Mann. Das äußerliche hat nichts mit der Identität zu tun. Auch transidenten Menschen steht das volle Spektrum der sexuellen Orientierung offen.
k50 // Wie haben Sie sich nach der Operation gefühlt?
Die körperlichen Veränderungen sind sehr zufriedenstellend. Der Körper fühlt sich nun wie ein Männerkörper an und ich muss mich nicht mehr verstecken. Es ist befreiend und trägt enorm zur seelischen Zufriedenheit und zum Glücklichsein bei, wenn man als Mann endlich ohne Brüste, Eierstöcke und Gebärmutter leben kann. Man fühlt sich wie neu geboren und die Veränderungen (Vermännlichung) durch die Hormone machen den Rest. Es ist großartig und ich habe mich über jedes Barthaar enorm gefreut. Ich würde jederzeit wieder jeden Schmerz und jede OP auf mich nehmen, um jetzt so leben zu können. Es ist nichts im Vergleich zu den Schmerzen, die ich vorher seelisch erlitten habe. Die Penoidaufbau- OP ist für viele ebenfalls sehr wichtig. Allerdings ist es ein sehr schwerer körperlicher und komplizierter Eingriff und sollte gut überlegt sein! Ein Mann definiert sich nicht über seinen Penis, sondern über seine Seele.
k50 // Bereuen Sie manchmal Ihre Entscheidung?
Es ist keine Entscheidung dafür oder dagegen, sondern der logische und normale Verlauf, wenn man als Mann in einem weiblichen Körper geboren wird. Ich bereue keinen einzigen Schritt. Ich bin demütig und dankbar dafür, als der Mann geboren worden zu sein, der ich heute bin. Ich bereue es nicht, das Gefühlsleben einer Frau kennengelernt zu haben. Man versteht vieles besser. Ich bin stolz darauf, beide Gefühlswelten in mir zu vereinen und möchte es nicht anders haben. Ich bin gerne ein „anders normaler“ Mann, mit besonderen Merkmalen und Eigenschaften.
k50 // Was würden Sie Menschen raten, die Ähnliches vor sich haben?
Sie sollten sich aktiv Unterstützung holen, und zwar bei Freunden, Familie, Selbsthilfegruppen, Therapeuten und Vereinen. Man sollte darüber reden und sich nicht verstecken. Keiner sollte diesen Weg unbegleitet gehen. Jugendliche finden in Gruppen auf Facebook und im Internet bei Vereinen und Beratungsstellen Ansprechpartner, die zu einem großen Teil selbst betroffen sind. Menschen, die spüren, sie sind besonders, sollten sich auf keinen Fall verstecken! Seid stolz darauf, wie ihr seid und wendet euch an Organisationen, die euch bei eurer Entfaltung unterstützen! Holt euch Hilfe. Geht nach vorn und kehrt dem Leben niemals den Rücken zu! Seht euch selber als den besonderen, großartigen Menschen, der ihr seid!
Text // Rene Gerber und Toni Massenberg