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Sommer

Eine kleine Rose, hoffnungsvoll auf das erblühen wartend, wissend, heute ist es schon zu spät. Vielleicht zur Morgenstund’.

Töne laufen lachend durch den Raum, prallen gegen mürrische Mauern, entlocken ihnen kein Lächeln und verfangen sich in feurigen Vorhängen. Gebrochene Blitze regnen aus glitzernden Lampenschirmen, tropfen auf düsteres Holz. Darunter: Keine kahlen Köpfe. Münder aus denen luftige Worte sprießen. Sie ranken sich um verklingende Töne.

© Joshua K. Jackson

Hinter erröteten Lippen lugen Zähne hervor. Schüchtern. Blass. Sie schämen sich für ihre glatte, gerade Form. Können nicht mit den sinnlichen Kurven der Lippen mithalten, die sie so rücksichtslos entblößen. Doch auch ihr einst so glänzendes Erscheinungsbild ist verblichen. Nur die scharfen Konturen am Rande des Abgrundes sind geblieben, werden die Dame im dunkelgrünen Kleid heute nicht mehr verlassen. Eingebildete Entspannung rollt über ihren nackten Rücken. Sie hebt das Glas. Voller Vorfreude droht die blutrote Flüssigkeit über den Rand zu schwappen. Sie kann es kaum erwarten, diese saftigen Lippen zu küssen. Die unsichtbare Tür eröffnet sich. Ein Hauch Sommer flattert in den überfüllten Raum. Über schmalen Lippen und einem spitzen Näschen liegen blaue Augen in grauen Höhlen. Sie durchsuchen den Raum, bleiben an der Dame in dem dunkelgrünen Kleid hängen.

Ein Blitz entgleitet deren Fingern, züngelt um den Glimmstängel, der von ihren Lippen baumelt. In wilder Leidenschaft entfacht, schlingen sich Rauchwolken um ihre rötliche Mähne, ergreifen jede Strähne und bewegen sich gemeinsam zu den tobenden Tönen. Sommer lässt sich schwungvoll in den ledernen Sessel fallen. Der Blick der Dame im Dunkelgrünen Kleid ergreift den ihres Gegenübers. Sommer lehnt sich an den Tisch. Beine gespreizt, Absätze vom Boden erhoben. Die Blue Jeans spannt sich über ihren Knien und rutscht über ihre Knöchel. Tobende Töne, luftige Worte, alles schon vergeben. Wortlose Rede zwischen zwei sehnenden Seelen.

Die Dame im dunkelgrünen Kleid winkt dem Kellner, zahlt und geht. Sommer lacht über einen Witz den sie nicht versteht, wartet darauf, dass die Zeit vergeht. Heute ist es schon zu spät. Zur Morgenstund’ werden wir uns wiedersehen!

Text // Christina Vettorazzi

 

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