Wie hilflos man ist – wenn man sich mit beiden Händen die Augen zu halten muss?
Beantwortet Euch mal diese Frage zuerst! Ohnmacht des Gewissens – Kaum waren die ersten Schlagwörter gefallen, wurde die gerade noch eingefrorene Stille mit den ersten Anzeichen, gekonnt einsetzendem Desinteresse vermischt. Große Worte und Zahlen schwirrten verloren durch den Raum, denn schien es hie und da zwar einen weit aufgerissenen, gähnenden Mund, doch kein offenes Ohr zu geben. Spätestens aber nachdem, diese unerhört provozierenden Worte auch noch visuell dargestellt auf der Leinwand prangten, schaltete das letzte Gehirn von „Flight-Modus“ auf „Abwehr – Eingänge verbarrikadieren und Feuer frei!“.
So verursachte ein Vortrag an meiner Schule über den ökologischen Fußabdruck einen verbalen Kleinkrieg über praktisch Alles außer die eigentliche Botschaft : „Macht was – ihr könnt die Welt verändern!“. Dabei wurde uns nur erklärt, dass es sich um eine Art Nachhaltigkeitsindikator handle, welcher den Ressourcenverbrauch mit der Biokapazität der Erde in Relation setzt. Im Vordergrund stand vor allem die Gerechtigkeit bzw. Ungerechtigkeit, die auf dieser Welt herrscht. Laut des ökologischen Fußabdruckes würden von 8,3 Mrd. Hektar „produktiver Landfläche“ jedem Menschen 1,78 Hektar zur Verfügung stehen, um den Konsum mit die dazugehörigen Produktionszyklen abzudecken. Die Realität sieht natürlich ganz anders aus! Ein Standard-West-Europäer verbraucht weit mehr als diesen Mittelwert, so dass mehrere Erden notwendig wären, hätten alle Menschen unseren Lebensstandard. Mitunter diese Worte brachten meine Mitschüler dazu, sich angegriffen zu fühlen. Bevor sie ein schlechtes Gewissen in kauf nahmen fingen sie an sich zu rechtfertigen als hätte man ihnen in irgendeiner Art Vorwürfe gemacht. Dabei war es nur die unschöne Wahrheit die jemand endlich klar und laut aussprach.
Mach dir klar was du da isst
Woher kommt mein Produkt? Wie wurde es hergestellt? Kann man das noch essen? Fragen über Fragen – stell sie! Dem Internet, dem Obststand-Verkäufer oder der Frau/Mann an der Kasse! Selbst wenn ihr nicht gleich die gewünschte Antwort erhaltet – wer nicht fragt bleibt dumm.
Außerdem : Oft helfen Einkaufslisten und Wochenplanungen davor zu viel zu kaufen und man kann sich auch mal das teurere Bio-Produkt leisten. Wenn man doch mal den Kühlschrank voller Reste hat, gibt es im Internet viele Rezepte mit deren Hilfe man auch diese zu leckeren Mahlzeiten verarbeiten kann. Natürlich selber kochen ist aufwendig und bei manchen auch meistens sehr experimentell – aber es kann Spaß machen, hilft bei gesunder Ernährung und schafft ein ganz anderes Verhältnis zu Nahrungsmitteln!
Für mich eines von vielen Beispielen der Ohnmacht und der Hilfslosigkeit die unsere Gesellschaft, hinsichtlich Themen wie Massenüberproduktion, Ausbeutung von Erde und Menschen, Überfluss- und somit Wegwerfgesellschaft, spekulativer Rohstoffhandel oder auch Ressourcenverschwendung, erfasst.
Okay – ganz schön große Worte und du hast eigentlich jetzt auch keine Lust dir anhören zu müssen, dass du an allem schuld seist! Es ist doch immer das gleiche! Diese Ökofreaks wollen dir ein schlechtes Gewissen machen, um dann letztendlich doch nur dein Geld einzusacken. Dabei trennst du doch meistens den Müll, machst das Licht nur an wenn es wirklich dunkel ist und die Dusche während des Einshampoonierens aus – ja vielleicht bist du sogar Vegetarier! Und nur weil sich die Wirtschaft dem exponentiell ansteigenden „Mehr“ verschrieben hat, kannst du doch jetzt nicht wie Diogenes, der Grieche, in einem Fass nur von Wasser und Brot leben? Direkter Verzicht funktioniert doch nur, wenn es darauf hinaus läuft eine alternative Bezugsquelle nutzen zu können! Natürlich gibt es da schon verschiedene Möglichkeiten, aber die sind meistens teuer oder aufwendiger zu beschaffen. Und ganz ehrlich wie viele Leute können (bzw. wollen) es sich leisten nur Lebensmittel aus der Region und dem Bioladen zu kaufen? Was sollst du also anderes tun, als die Vorhaltungen, welche bei diesen Themen immer im Raum stehen, von dir abzuweisen?
Dich trifft schließlich keine Schuld, denn du versucht wenigstens etwas anders zu machen – aber wen trifft die Schuld dann? Und welche Schuld eigentlich?
Sag was du denkst – sag es laut
Die Realität ist ungemütlich; das Gewissen plagt zwar aber man tröstest sich damit hinweg dass man ja sowieso nichts bewirken könnte. Und deswegen die ganze Angelegenheit einfach vergessen?Wenn man schon nichts tun kann oder bereits alles Mögliche getan hat dann bleibt nur noch eins : Reden, klagen,protestieren, & diskutieren! Rührt euch! Sagt eure Meinung im Gespräch mit Freunden oder Fremden, im Internet oder in der Schule, schreibt uns, bildet euch eure eigene Meinung und teilt sie. Das Wichtigste ist sich von der „Gewissens-Ohnmacht“ zu befreien und genau diese Themen in den Vordergrund der öffentlichen Gespräche zu bringen! Die Ausrede „Man kann nichts machen!“ wackelt lange schon gewaltig! Kreativität und Wut – die richtige Mischung um „das Gesicht der Welt“ zu verändern.
Raus gehen und umsehen
Auch wenn es wahnsinnig angenehm ist in dem unendlichem Angebot des Internets zu stöbern und am nächsten morgen das gewünschte Objekt vor die Haustür geliefert zu bekommen. Die langen Transportwege, die der Umwelt nicht gerade zu Gute kommen, kann man ganz einfach umgehen indem man sich vor die Haustüre wagt und die vor Ort gelegenen Läden erkundet. Ein schwüler Sommerabend, die letzten Sonnenstrahlen sind so intensiv und stark das man die Wärme schon fast aus der Luft atmen kann. Ein zarter Wind ist Bote der nahenden Dämmerung. Solche Abende, wer kennt sie nicht? Und wer genießt sie nicht gerne mit ein paar netten Leuten, einem Grill und einem saftigen Stück Fleisch oder einer würzigen Bratwurst?
Wie moralisch korrekt ein Vegetarier auch sein mag, es gibt einfach Dinge auf die man nicht verzichten möchte. Und für sehr viele Menschen gehört dazu regelmäßig Fleisch zu essen. Im Durchschnitt ist jeder Deutsche 60 kg Fleisch pro Jahr, klingt so noch nicht besonders aufregend. Betrachtet man jedoch die Preise unter denen der Großteil verkauft wird, sollte man hellhörig werden. Durch Subventionen des Staates in Höhe von über 20 Millionen Euro ( = Steuergelder), ist es der Fleischindustrie möglich ihre Ware viel zu billig zu verkaufen und dennoch große Gewinne zu erzielen. Auch die aufwendige Reinigung des Grundwassers, das durch die Jauche in vielen Regionen massivst verseucht ist, zahlt der Steuerzahler. Noch dazu kommen Millionen Tiere die schon vor dem Schlachthaus umkommen, somit (rein finanziell betrachtet) einen Verlust darstellen und kostspielig entsorgt werden müssen. Allein in Deutschland handelt es sich hierbei um ca. 12 Millionen Schweine pro Jahr. All dies zusammengerechnet macht das Fleisch auf einmal doch zu einer kostspieligen Angelegenheit – und wir zahlen. Moral gegenüber den Tieren ist natürlich noch mal eine ganz andere Sache, allerdings lässt es sich wohl kurz auf einen Nenner bringen, dass schlichtweg keine Moral vorhanden ist. Ein kurzer Blick auf die Eierindustrie bei der jedes Jahr 50 Millionen „Eintagsküken“ im Müll laden, spricht für sich. Ein weiterer besorgniserregender Punkt ist, dass ständig erhöhte Antibiotika an die Schlachttiere verfüttert wird und somit unsichtbar auf unseren Tellern mit jedem Stück Fleisch landet. Um bei dem Thema Futter zu bleiben: Bereits mehr als ein Drittel der weltweiten Getreideernte wird an das Nutzvieh verfüttert. Um diese Massen stemmen zu können sind riesige Monokulturen entstanden, denen nicht nur die vorhandene Natur, sondern auch Kleinbauern weichen mussten und immer noch müssen. Wo früher Tropenwald mit seiner ganzen Artenvielfalt wuchs, werden heute Monokulturen angebaut. Was das bedeutet ist für uns im idyllischen Voralpenland, mit den bunten Feldern, den saftigen Weiden, und blühenden Naturschutzgebieten praktisch unvorstellbar! Es ist eine gewaltige Zerstörung der Natur sowie unzähliger Existenzen der Kleinbauern, deren komplette Lebensgrundlage mit dem oftmaligem Raub des Landes genommen wird. Auf einmal sind 60 kg Fleisch mal 82 Millionen im Jahr doch eine ganze Menge! Grotesk wird das ganze wenn man sich dem Thema „Lebensmittelverschwendung“ zuwendet. Wobei nicht unbedingt das weißbeflockte Pausenbrot, das noch von letzter Woche im Schulranzen gammelt, gemeint ist.
Das Verbraucherschutzministerium hat im Jahr 2012 eine Studie veröffentlicht, nach der jeder Deutsche im Jahr etwa 82 kg Lebensmittel im Wert von 253 Euro weg wirft. Und das ist noch lange nicht das Erschreckenste. Muss nicht jeder mal einen Joghurt, der sich ganz hinten im Kühlschrank versteckt hat, wegwerfen? Oder die Bananen die schon fast komplett braun und verschrumpelt sind, die isst doch sowieso keiner mehr! In unserer Gesellschaft kann man es sich eben leisten Dinge zu kaufen, die man nicht zwangsläufig benötigt, man kann es sich auch leisten sie weg zuwerfen. Auf der anderen Seite aber möchte man nur das Beste für sein Geld! Die beste Qualität für den billigsten Preis. Das Aussehen der Produkte spielt dabei eine ausschlaggebende Rolle, auch wenn sich das viele nicht eingestehen wollen. Es führt dazu das viele Produkte schon bevor sie den Weg in den Laden antreten aussortiert werden. Nicht weil sie ungenießbar wären, sondern weil Sie den Erwartungen der Kunden nicht entsprechen oder besser den (absurden) Maßstäben der Verbraucher. Diese Maßstäbe aber werden durch den ständigen Konkurrenzkampf der verschiedenen Anbieter festgelegt. Wie viele Tonnen an genießbaren Lebensmittel noch auf dem Feld oder am Fließband weggeworfen werden, sind leider nur graue Zahlen – denn welcher Hersteller zählt schon seinen Müll oder gibt diese Mengenangaben gerne an die Öffentlichkeit weiter?
Der moderne Verbraucher erwartet aber nicht nur perfekte Produkte, nein, er möchte auch immer und zu jeder Zeit in den Genuss der freien Auswahl zwischen Dutzenden Supermärkte und deren Vielzahl an Marken kommen. Das Regal muss gefüllt sein. Dies stellt sich vor allem für Frischwarenanbieter wie z.B. für Bäckereien als Herausforderung dar. Diese produzieren von vornherein einen gewissen Prozentsatz zu viel ihrer Ware, um die Auslage möglichst lange auffüllen zu können und das Einkauferlebnis des Kunden so angenehm wie möglich zu gestalten. Letztendlich bedeutet das aber auch, dass jeden Tag genau diese Überproduktion weggeschmissen wird.
Man könnte so weiter machen, unzählige weitere Beispiele aufzählen, doch es ist nahezu endlos. Und umso tiefer man hinein bohrt, umso Schlimmeres wird man es finden. Eines bestätigen sie jedoch alle: Wir produzieren unter Bedingungen, die sowohl die Umwelt zerstören, Menschenrechte verletzen, als auch Tiere unglaublich respektlos behandeln, nur um absurde Mengen der produzierten Ware davon einfach wegzuwerfen (in den USA teilweise bis zu 40 Prozent).
Und nun möchte ich noch mal das Thema Schuld aufgreifen. Natürlich kann kein Mensch etwas dafür, was andere Menschen getan haben. Man kann aber behaupten, dass die Menschen früh angefangen haben eine Vorliebe für das Wort „Mehr“ zu entwickeln, die einem im großen Stil, viele Andere im kleinen. Aufgrund dessen und ein paar anderer historischer Gegebenheiten hat sich Politik, Wirtschaft und Gesellschaft unter dem Begriff der Globalisierung zu einem riesigen, klebrigen Spinnennetz verwirrt, in dem irgendwie Alles zusammenhängt und wir hängen alle mit drin. Umso mehr man versucht die Fäden zu entwirren und sich von diesen klebrigen Dingern zu befreien, umso enger und aussichtsloser wird die ganze Angelegenheit. Also still halten und warten bis die Spinne kommt? Nein! Denn dann bist du wirklich selbst Schuld, wenn du gefressen wirst.
Wir müssen etwas verändern! Und das Erste was wir ändern müssen ist unsere moralische Einstellung, die Sichtweise der Dinge! Erst dann können Taten folgen! Was bringt es uns als Fliege das Netz aus Sicht der Spinne zu sehen? Wir wollen nicht darüber stolzieren ohne fest zukleben, sondern davon loskommen um endlich frei herum zu schwirren.
Aber was sollen die ganzen Metaphern?! – Klartext wäre angebracht:
Du kannst etwas verändern! Heute, hier und jetzt. Selbst wenn es nur deine eigene Einstellung gegenüber Lebensmitteln ist. Es heißt nicht umsonst „Wenn viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern.“ Die Frage wer die Schuld an dieser grotesken Welt trägt, in der 900 Millionen Menschen an Hungersnot leiden, während Tonnen von Lebensmitteln weggeschmissen werden, würde hier wohl zu viel Platz beanspruchen. Außerdem ist sie nicht annähern so relevant wie es scheint – morgen wird niemand mehr nach gestern fragen. Dennoch muss man sich den Tatsachen stellen, wir führen eine Art Luxusleben auf Kosten unsere Umwelt. Das ist kein Vorwurf, keinerlei Rechtfertigung, es ist nur die Realität. Wir können uns mit den Händen die Augen zu halten – aber ohne frei Hände ist man verdammt hilflos! Und in ein paar Jahren wenn es heißt : „Warum habt ihr eigentlich nichts getan?“ sind wir die Generation die klagend angeschaut wird! Der Wissende hat die Verantwortung, auch wenn man in unserem überfüllten Alltag das meiste ganz gut verdrängen kann, können wir nicht abstreiten, dass wir gesehen haben was die Wirtschaft, die Politik und die Gesellschaft, was nicht zuletzt uns selbst beinhaltet, mit unserem blauen Planeten macht bzw. gemacht hat. Wir haben es in der Hand! Und wir, das sind alle hier – anstatt Ausreden zu erfinden, zu verdrängen und uns die Realität schön zu reden sollten wir die Kreativität in neue Ideen stecken, Verantwortung übernehmen und genau mit den kleinen, unscheinbaren Dingen anfangen.
Es gibt kein genau definiertes Ziel – aber es gibt viel zu tun.
Text //Kathrin Frech