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ToggleMillionen Menschen suchen online nach der großen Liebe, doch die meisten bleiben allein. Trotz Tinder, Bumble und Co. gibt es immer mehr Singles in Deutschland, das teilt Psychologe und Dating Coach Dr. Guido F. Gebauer in einer Presseinformation mit. Er sieht darin keinen Zufall, sondern ein systemisches Problem der modernen Dating-Kultur.
Tinder, Bumble und Co. wollen keine echten Beziehungen erschaffen
“Dating-Apps sind nicht darauf ausgerichtet, Beziehungen zu stiften – sie sind darauf programmiert, uns möglichst lange in der App zu halten“, erklärt der Gründer der psychologischen Partnervermittlung Gleichklang. Viele Apps würden mit Mechanismen arbeiten, die aus der psychologischen Verhaltensforschung stammen und ursprünglich sogar in Experimenten mit Tieren erprobt wurden. Das Swipen bei Tinder etwa sei laut Mitgründer Jonathan Badeen gezielt nach dem sogenannten „Skinner-Box“-Prinzip gestaltet worden: Ein System kleiner, unvorhersehbarer Belohnungen, das süchtig machen kann.
Vier Hauptgründe für das Scheitern
Laut Gebauer lassen sich die Probleme vieler Nutzer*innen mit Dating-Apps auf vier zentrale Faktoren zurückführen:
- Oberflächlichkeit: Entscheidungen basieren meist auf Fotos statt auf Werten oder Zielen.
- Überforderung durch Auswahl: Die Vielzahl an Optionen führt zu Entscheidungsstress und Unzufriedenheit.
- Irreführende Angebote: Viele Apps werben mit kostenlosen Funktionen, die jedoch oft in kostenpflichtige Premium-Dienste überleiten – und unseriöse Profile anziehen.
Widersprüchliche Nutzungsmotive: Studien zeigen, dass viele Nutzer*innen bereits in Beziehungen sind oder Apps lediglich zur Unterhaltung nutzen.
Gamifizierung statt Beziehungssuche
Gebauer warnt vor einer zunehmenden „Gamifizierung“ der Partnersuche. Nutzerinnen und Nutzer würden durch Belohnungssysteme dazu gebracht, immer weiter durch Profile zu scrollen. So ähnlich funktioniert das auch bei Glücksspielautomaten. Der eigentliche Fokus auf eine langfristige Partnerschaft gehe dabei verloren.
„Dating ist zu einem Massenkonsumgut geworden”, sagt Gebauer: “Apps trainieren uns darauf, durch Profile zu scrollen wie durch eine Shopping-Seite – aber Beziehungen lassen sich nicht im Schnellkaufverfahren erwerben.“ Ein zentrales Problem sei, dass viele Menschen nicht bemerkten, dass sie Teil eines Spiels geworden sind. Sie glauben, auf Partnersuche zu sein, tatsächlich aber jagen sie kurzfristigen Dopamin-Kicks hinterher – ausgelöst durch Matches und Likes.
Dating-Burnout und sozialer Rückzug
Das würde zu einem sogenannten „Dating-Burnout“ führen, einem Zustand emotionaler Erschöpfung, der durch oberflächliche und frustrierende Erfahrungen auf Dating-Plattformen entsteht. Viele löschen die Apps, nur um sie kurze Zeit später erneut zu installieren – ein Zyklus, den Gebauer mit Suchtverhalten vergleicht.
Zugleich gehe durch die starke Online-Fokussierung die Bereitschaft verloren, Menschen im echten Leben kennenzulernen. Partys, Konzerte oder Festivals würden kaum noch als Gelegenheiten für Begegnungen wahrgenommen, auch, weil viele dort in ihr Smartphone vertieft seien.
Alternativen zum Mainstream
Mit Gleichklang hat Gebauer bereits 2006 eine Plattform gegründet, die sich von den marktführenden Apps bewusst abgrenzt. Sein Ziel: eine wertebasierte, langfristige Partnersuche. Doch selbst hier beobachtet er, dass viele Suchende mit durch Apps geprägten Erwartungen kommen – etwa nach sofortigen Matches oder schnellen Ergebnissen.
Trotzdem sieht Gebauer in der aktuellen Entwicklung auch Hoffnung: „Wir werden nie zum Trendsetter in der Branche.“ Aber: “[…] wir sind ein Zufluchtsort für diejenigen, die erkannt haben, dass der Mainstream des Online-Dating sie in die Irre führt.“