Generation Abschied: Wie der stille Rückzug der Babyboomer den Arbeitsmarkt erschüttert

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Immer mehr Babyboomer treten langsam in den Ruhestand ein. Das merkt der deutsche Arbeitsmarkt deutlich, berichtet das Online-Magazin arbeitsABC. Damit geht nicht nur eine Generation, sie reißt auch eine Lücke auf. In Verwaltungen, Handwerk, Pflege oder Maschinenbau – überall fehlt es plötzlich an Menschen, Wissen und Erfahrung. Der Fachkräftemangel von heute spitzt sich weiter zu.

Wer sind die Babyboomer – und warum ist ihr Ruhestand ein Problem?

Die Babyboomer, geboren zwischen 1955 und 1969, sind die geburtenstärkste Generation Deutschlands. Jahrzehntelang bildeten sie das Rückgrat der Erwerbsbevölkerung. Dass sie nun reihenweise in Rente gehen, war absehbar. Aber richtig vorbereitet hat sich kaum jemand darauf.

Viele Menschen dieser Generation lebten nach einem stillen Versprechen: Arbeit ist Pflicht, Loyalität ist selbstverständlich, und am Ende steht die verdiente Rente. Diese Rente tritt nun ein – und mit ihr verschwinden Millionen Stunden an Know-how und oft auch das Rückgrat ganzer Teams.

Wo es besonders brennt: Engpassberufe im Krisenmodus

Ein Blick in die Statistik zeigt, wie dramatisch die Lage ist:

  • Bus- und Straßenbahnfahrer: 44 % sind über 55 Jahre alt
  • Berufskraftfahrer in der Logistik: 39 % über 55 Jahre alt
  • Fleischverarbeitung: 30 %, im Verkauf sogar 36 %
  • Maurer: Ein Drittel ist im fortgeschrittenen Alter
  • Altenpflege: 27 % älter als 55 – bei ohnehin chronischem Personalmangel

In vielen Branchen dominiert die Altersgruppe 55+. Und der Nachwuchs? Bleibt aus. Gerade mal 14 % der Busfahrer sind unter 35. In der Gesamtwirtschaft liegt dieser Anteil doppelt so hoch.

Warum wollen (oder können) junge Leute diese Jobs nicht mehr?

Die Gründe sind vielfältig – und teilweise hausgemacht:

  • Schlechte Bezahlung
  • Körperlich und psychisch belastende Arbeitsbedingungen
  • Schichtdienste und wenig Flexibilität
  • Geringes gesellschaftliches Ansehen

Dazu kommt ein Wertewandel: Junge Menschen suchen heute eher Sinn, Flexibilität und Work-Life-Balance. Statt Jobs als Maurer oder in der Pflege wählen viele lieber das Büro. Verständlich – aber fatal für systemrelevante Bereiche.

Es ist nicht nur Demografie – es ist ein Kulturwandel

Der Fachkräftemangel ist mehr als eine Altersfrage. Es ist auch ein Mentalitätsbruch zwischen Generationen:

  • Die Babyboomer: geprägt von 40-Stunden-Wochen, Loyalität, „Augen zu und durch“

  • Die Gen Z & Co.: auf der Suche nach Balance, Wertschätzung und Purpose

Das führt zu Spannungen. Jüngere fühlen sich überfordert mit der Verantwortung. Ältere fühlen sich übersehen oder entwertet. Es fehlt: das Gespräch.

Verlängern? Viele sagen: „Nein, danke.“

Klar, viele Boomer sind noch fit. Doch der Ruf nach längerer Lebensarbeitszeit geht an der Realität vorbei. Viele wollen nicht – oder können nicht mehr. Wer jahrzehntelang körperlich oder emotional herausfordernd gearbeitet hat, stößt irgendwann an Grenzen.

Und: Viele fühlen sich nicht mehr als Mensch wahrgenommen, sondern als Ressource. Wer will da freiwillig bleiben?

Wenn Wissen einfach verschwindet

Ein besonders kritischer Punkt: Wissensmanagement. In vielen Betrieben wurde versäumt, das Wissen der Älteren weiterzugeben. Mentoring-Programme, Übergabemodelle, Job-Sharing? Fehlanzeige. Das Ergebnis: Mit dem Abschied der Babyboomer verschwindet auch viel unersetzliches Know-how – und damit auch ein Stück Unternehmenskultur.

Was jetzt zu tun ist – und was du mitgestalten kannst

Der Fachkräftemangel lässt sich nicht mit ein paar Recruiting-Kampagnen lösen. Was es braucht, ist ein echter Kulturwandel – und die Bereitschaft, Brücken zwischen den Generationen zu bauen:

  • Generationenübergreifendes Arbeiten fördern
  • Wissensweitergabe ernst nehmen
  • Neue Arbeitsmodelle schaffen, die allen gerecht werden
  • Junge Menschen ermutigen, auch „unbequeme“ Berufe zu entdecken – mit besseren Bedingungen und echter Wertschätzung

Der Abschied ist auch eine Chance

Die Babyboomer hinterlassen große Lücken – aber auch die Chance, Arbeit neu zu denken. Generationenübergreifend, menschlicher, nachhaltiger. Die Frage ist nicht: Wie ersetzen wir die Alten? Sondern: Wie lernen wir voneinander – bevor es zu spät ist?

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